Ein Nachruf
von Erich Schmeckenbecher
Beinah 28 Jahre ist es her (1986) als in der Bochumer Zeche ein außergewöhnliches Konzert stattfand. Pete Seeger, der große Mann des American Folk und Weltstar traf Zupfgeigenhansel und wir gestalteten zusammen einen Abend, den ich heute noch in sehr guter Erinnerung habe, abgesehen davon, dass es das letzte Konzert der Zupfis war und wohl auch der letzte Auftritt von Pete in Deutschland war.
Ein Konzert mit selbstverständlicher „Beteiligung des Publikums“, was ja bei Auftritten von Pete immer Usus war, egal in welchem Land er auftrat. Eine Begabung, die mich früh schon tief beeindruckte und mir bis heute, nicht erst seit Bochumer Tagen, zum großen Vorbild geworden ist.
Da steht einer und singt und irgendwann singen die Menschen einfach mit. Ein Sänger mit ehrlicher Hingabe, ohne Schnickschnack. Einer, der für seine Überzeugung lebt und nicht nur von ihr leben will, im Gegensatz zu den vielen pragmatischen „Brotsängern“ vergangener und vor allem heutiger Tage, für die ihr „Können“ lediglich Mittel zum Zweck, für Geld, Zeitungslob und Publikumsgunst ist. Kein Wodkatrinker, der plötzlich aus Marktgründen Whisky säuft, kein Seilschafter und Strippenzieher im Dschungel der Mietmaulmagazine, kein Infotainmentfuzzi auf ständiger Jagd nach geldwertem Vorteil.
Pete Seeger auf youtube, This Land is Your Land
Pete Seeger, ein durch und durch echter, aufrichtiger Mensch mit Auftrag und Charakter, ein wahrhafter Romantiker, der sein Tun immer mit seiner Sehnsucht nach einer besseren Welt verband, sein Leben lang. Lieder wie „If I Had A Hammer“, „Where Have All the Flowers Gone“, „Turn, Turn, Turn“, „We Shall Overcome“ etc. sprechen für sich und selbstverständlich für ihn. Ein Bindeglied, nicht nur zwischen Woody Guthrie und Bob Dylan, sondern vor allem zwischen seinem Anliegen und den Herzen seines großen Publikums.
Seine Mission, der Stimme des Volkes wieder Gehör zu verschaffen, war auch das Anliegen der Zupfis. Volkslied und Volksleid, jiddische Lieder etc. waren Themen, die uns beide interessierten.
Im Gegensatz zu uns konnte er allerdings auf die reichhaltige Arbeit seines Vaters Charles zurückgreifen, der viel durchs Land reiste, Folk Songs studierte, Tonaufnahmen machte und damit wohl den Grundstein für Petes spätere Leidenschaft legte. Seine unzähligen Folkways-Aufnahmen, wie auch seine Banjo- und Twelve-String-Guitar Lehrbücher waren Pionierleistungen. Wir hingegen mussten uns mit alten Büchern zufrieden geben und mit einer Stimmung im Lande auseinandersetzen, die eher gegen die eigenen Wurzeln gerichtet war. Eine fast pathologische Abneigung eigener Identität, die mit dem unsäglichen Nazi-Desaster nach dem Krieg zwar erklärbar, aber nicht zwangsläufig nachvollziehbar war.
Nun, Pete hatte auch seine Erfahrungen machen müssen mit „Heimatschützern“ wie dem Ku-Klux-Klan, den Freunden des Cola-Kolonialismus, den Drecksäcken der McCarthy-Ära, die ihm u. v. a. einen jähen Karrierebruch aufgrund seine „unamerikanischen Umtriebe“ und damit einen jahrelangen Boykott der kommerziellen US-Medien bescherten. Dennoch hielt er stand. Bis zuletzt. Und wie!
Alles in allem vielleicht auch schwäbische Eigenschaften, denn anschließend an das Konzert in Bochum wollte sich Pete noch mit seinen Vorfahren auseinandersetzten. Es waren wohl deutsche Auswanderer aus der Gegend um Ludwigsburg.
Nun ist er im Alter von 94 Jahren gestorben.
Sein Vermächtnis ist riesig groß. Sein Herz war noch größer.
Vaterfigur und Vorbild für viele, auch für mich.
Dafür herzlichen Dank, Respekt und Chapeau!
Dear Pete, you’ll never die
Yours
Erich
Lieber Erich,
vielen Dank für Deine Würdigung von Pete Seeger
Bei diesem Konzert, damals in Bochum, da war ich dabei.
Bis heute klingt das noch in mir nach.
Ich erinnere mich, dass außer Pete Seeger und euch Zupfis noch „Moondog“ mir dabei gewesen ist. Pete Seegers Konzert war ein unvergleichbares Erlebnis. Aber auch Du und Thomas habt mir gefallen. Wir ahnten nicht, dass es das letzte gemeinsame Konzert von Zupfgeigenhansel sein sollte.
Mit herzlichem Gruß
Manfred