zum 70 er…

„more fun being 20 in the 70’s than 70 in the 20’s“ (Joe Walsh)?

Ein paar Gedanken…

Der Spaß, den ich damals als 20-jähriger in den 70ern hatte, war um ein vielfaches größer, als der, den ich heute als 70-jähriger in den jetzigen 20ern noch haben kann. Da kann ich Joe Walsh (Eagles) größtenteils nur zustimmen. Und das liegt nicht am Alter! The Times they are a chanching war damals. Heute ist wieder Zeitenwende. Allerdings mit Salto rückwärts.

Krieg, zumindest in Europa, schien überwunden. Musik, Pop, Kultur überhaupt, hatte Hoch-Konjunktur. Alte Zöpfe waren lästig und viele davon konnten trotz enormer gesellschaftlicher Wiederstände endlich abgeschnitten werden. Plötzlich konnte man wieder frische Luft atmen, freier denken und Neues ausprobieren. Nach vorne schauen. – Es brodelte überall.

Make love, nor war“

Innovatives, Authentisches quoll aus allen Ritzen. Ein Aufbruch pur. Romantik eben, wie sie heute im Buche stehen sollte. Fernab von der, wie sie durch die Umdeutung des alten Nazi-Staatsrechtlers und heutigen Neurechten-Ikone Carl Schmitt einst ideologisch dienstbar gemacht und weiterhin als dümmlich-weltfremde zur Idylle verkommene Begrifflichkeit verstanden werden soll. Dieser romantische Aufbruch, damals, war immer auf eine bessere Zukunft, immer auf dem Boden von Tatsachen, auf ein besseres, menschlicheres Dasein schlechthin, ausgerichtet. Für alle!

Das hat mir gefallen.

Heute hat offensichtlich das Gegenteil wieder mehr Oberwasser bekommen. Nationalismus, Faschismus, Militarismus, Geldgier, Lüge sind wieder oben auf. Zurück die Gespenster aus den dunklen Kellern der Geschichte, mit noch größerer Niedertracht. Hoch gepäppelt, gepflegt, umsorgt wie gefüttert vom ewig alten Geist der Gier nach Macht und Reichtum mittels radikalkapitalistischer Marktförmigkeit, oder gleich mit Krieg und dem Konsum als heilige Kuh on top. Samt der, dem heutigen Zeitgeist entsprechenden, narzisstischen Selbstbeleuchtung.

Die neoliberale Verschärfung des Marktes in den 80ern hat die damaligen Probleme nicht gelöst. Im Gegenteil! Sie hat sie noch schlimmer gemacht. Damals konnte die Kultur noch von vorne ziehen. Heute wird sie von hinten geschoben. Das Ergebnis fällt uns nun bitter auf die Füße.

Und das macht keinen Spaß.

Im Gegenteil. Es bleibt uns das Lachen entweder im Halse stecken oder alles prallt an uns ab, wie so vieles, was getan werden müsste, aber aus einer Logik von pragmatischen Sachzwängen heraus nicht getan werden kann, weil wir uns dieser Logik total unterworfen haben.

Aufbrüche, innovative Musik wie in den 60er/70er/80ern, gibt es kaum noch. Die muss man suchen. Leicht finden kann man dagegen endlose Covers von einst Erfolgreichem, Gekidapptes, Geklautes mit begleitend schöngefärbter Hochglanz-Geschichtsklitterei. Knallharte Markförmigkeit eben. Und die reitet nun den durchweg pragmatisch gepolten Kommerz-Gaul auf radikalste Weise, bis er tot umfällt. Nun auch noch mit KI. Auf allen digitalen wie anlogen Ebenen META-mäßig, vollvirtuell. Wie geil!

Es grüßt der Zuckerberg vom Zuckerhut!

Die Zeit der großen Künstler/Musiker/Gruppen, wie ich sie noch von früher her kenne und die mich mit immenser Bandbreite ein Leben lang begleitet, beeinflußt und mit großer Freude erfüllten, scheint vorbei zu sein. An deren Stelle traten immer mehr brandbeschleunigte wie künstlich erzeugte „Charts-Sternschnuppen“. Kreiert von Leuten, die nicht mehr für die Kunst/Musik leben, sondern ausschließlich nur noch von ihr leben wollen. Im Fokus: „Gold, Zeitungslob und Fürstengunst“ (wie sich F. Schiller 1789 schon mit dem Auftauchen des Kapitalismus und dem damit verbundenen Phänomen des „Brotgelehrtentums“ äußerte). Die schossen nun wie Pilze aus dem Boden und schwelgen in pseudo-romantischen Imponderabilien, grölend im Bierzelt der Idylle, in abgehobenen Szene-Blasen, in der schon lange niemand mehr bereit ist sich aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit zu befreien, sonder nur noch darauf, sich möglichst dreist, breit, fett und maximal gewinnbringend darin einzurichten. Kultur braucht man heute nicht mehr. Nur noch Erfolg!

Was mich betrifft:

Doch es geht nie zurück 
Nicht mal ein kleines Stück 
Denn es ist noch nicht vorbei

In meinem Herzen glüht
immer ein neues Lied
Noch ist mir nichts einerlei

PRESSE

Musikwoche 3-2023 https://www.erich-schmeckenbecher.de/wp-content/uploads/2023/04/ES-Musikwoche-3-2023.pdf

Bad Cannstatt/Stuttgart – BLOG Bad Cannstatt – Stuttgart News

SWR 4 SWR4-2.4.23

ZVN ‎ZVW 31.3.23

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